Recherche: Kein Zauberwerk sondern Handwerk. Hans Leyendecker Erst Stille, dann ist Atem zu hÃļren. Der Laptop zwitschert und piepst. Jemand rutscht auf dem Stuhl herum, klopft mit den Fingern auf der Schreibtischkante einen kompli zierten Takt. Dann geht er auf und ab und schnieft ganz laut. Später hämmert er in die Tasten. Kurz gesagt: Da schreibt einer. Warum schreibt einer? Weil er nichts anderes gelernt hat oder weil er es weit bringen will? Wenn es weit gebracht hat, kreiselt er kunstvolle Kritiken im Feuilleton. Es gibt vorzÃŧgliche Reporter und in den Wirtschaftsteilen gut informierte Redakteure. Die Deutschen sind Meister im Meinungsjournalismus. Wer den Leitartikel tuten, den Fernsehkommentar sprechen darf, hat den Ausweis hÃļchster Kompetenz erreicht. Aber die Zeitung und Sender beschäftigen nur wenige Rechercheure, die EnthÃŧllungsstories liefern wollen. Die Sparte ist chronisch unterbesetzt. Wann haben Sie im deutschen Fernsehen in jÃŧngerer Zeit eine bilanzsichere Dokumentation unsauberer politischer Vorgänge gesehen? Wann die letzte EnthÃŧllung gelesen, die das Wort verdient? "Leidenschaft Recherche"? Ein Viertel aller deutschen Journalisten recherchiert pro Tag nicht mehr als eine Stunde. Zum Vergleich: In Amerika recherchieren vierundvierzig Prozent der Reporter und nur achtzehn Prozent kommentieren. In Amerika gibt es einen Verein, der IRE heiÃt. IRE ist das KÃŧrzel fÃŧr "Investigative Reporters and Editors". Der 1975 gegrÃŧndete Verein hat mehr als fÃŧnftausend Mitglieder und etliche der Kollegen arbeiten in Rechercheteams, sogenannten Task Forces, die von der Routine der Tages berichterstattung befreit sind.