Der Kurzroman Das Wunderbare von Heinrich Mann gehรถrt nicht zu seinen bekanntestens, aber, wenn es mir erlaubt ist, zu seinen wunderbarsten. Unbedingt mal einen Blick hineinwerfen! Auszug: Im vorigen Spรคtsommer berรผhrte ich auf einer Reise die kleine Stadt N. Es war meine erste Rรผckkehr dorthin, seit ich das Gymnasium der Stadt verlassen hatte, und ich war dort fremd geworden. Von meinen ehemaligen Schulfreunden lebte niemand mehr in N. als Siegmund Rohde, der, soviel ich wuรte, Rechtsanwalt und Stadtrat war. Ich hatte ihn gut gekannt. Wir waren durch all das Gemeinsame verbunden gewesen, das gewรถhnlich die Schulfreundschaften knรผpft. Wir zeichneten uns, als gefรคllige Rivalen, in den gleichen Fรคchern aus, besaรen dieselben literarischen Neigungen, spรผrten bei unsern Lehrern dieselben Lรคcherlichkeiten auf. Vor allem liebten wir die Kunst mit gleicher Leidenschaft und Ausschlieรlichkeit. Wenn wir von ihr sprachen, so fรผhlte jeder sein bestes Feuer aus dem Geiste des anderen noch glรคnzender und wรคrmer zurรผckstrahlen. Wir ermutigten und bewunderten uns gegenseitig. Niemals lieรen wir den Gedanken zu, daร einer von uns sich je einer anderen Tรคtigkeit widmen kรถnne als der Kunst. Siegmund sah den lebenslรคnglichen ยปDienst des Idealsยซ als etwas Selbstverstรคndliches an, das durch keine fremden Einflรผsse beeintrรคchtigt werden kรถnne. Was mich selbst betrifft, so scheint es mir, daร ich zuweilen ein wenig skeptischer war.