Die Thematik der 'Ausgliederung' der romanischen Sprachen aus dem Lateinischen wurde bisher vor allem aus phonetischer und lexikalischer (onomasiologischer) Sicht behandelt. Die vorliegende Studie versucht, das Problem der Entstehung der romanischen Sprachen aus wortsemantischer Sicht anzugehen. Die Untersuchung bezieht sich auf insgesamt 32 panromanisch erhaltene lateinische Verben, welche auf ihre Bedeutungsentwicklung in den รคlteren Entwicklungsstufen der romanischen Sprachen untersucht werden. Nach der Diskussion verschiedener theoretischer und methodischer Grundannahmen wird ein reprรคsentatives Wort in exemplarisch-ausfรผhrlicher Weise auf seine Bedeutungsentwicklung untersucht. Hierbei finden sowohl einzelwortbezogene ('semasiologische') als auch einzelwortรผbergreifende ('paradigmatisch-genetische' und 'paradigmatisch-strukturelle') Beschreibungsmethoden Berรผcksichtigung. Es folgen in geraffter Form die Darstellungen der รผbrigen Korpuswรถrter. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daร vor allem das Rumรคnische und das Iberoromanische sich durch starke semantische Innovationstendenzen vom Lateinischen wegentwickelt haben. Die Sprachen der Zentralromania hingegen zeigen in ihrer Bedeutungsentwicklung eher bewahrende Tendenzen. Als Ursachen fรผr diesen in verschiedener Hinsicht รผberraschenden Befund sind vor allem geographische und kulturgeschichtliche Faktoren anzunehmen (Isolierung der einzelnen Sprachrรคume im Mittelalter, Lebendigkeit der schriftlateinischen Tradition).